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Praxis wird Führung häufig nicht vergeben, sondern aufgefüllt – weil eine Stelle vakant ist, nicht weil Kompetenz erkannt wurde. Laut einer Studie des Gallup-Instituts sehen 82 % der Unternehmen Führungsentscheidungen als „dringliche Nachbesetzung“ statt als gezielte Auswahl. Das Resultat: Personen in Führungsrollen, weil sie verfügbar, loyal oder anschlussfähig sind – nicht, weil sie führen können.
Die Systematik dahinter ist bekannt, aber weitgehend tabuisiert. In vielen Organisationen erfolgt Auswahl nach Nähe, nicht nach Wirkung. Wer sich ähnlich verhält, ähnlich denkt, ähnlich wirkt, steigt auf. Homophilie ist kein soziales Phänomen – sie ist ein Karrieretreiber. Diversität in Führungsrunden? Meist kosmetisch. In Wirklichkeit sind viele Führungsgremien ideologisch homogen und fachlich mittelmäßig. Nicht die Qualität der Entscheidung zählt, sondern die Passung zur bereits etablierten Linie. Führung wird so zur Verlängerung bestehender Muster – nicht zur Veränderung.
Der Einstieg ins mittlere Management erfolgt oft im Alter zwischen 28 und 35 Jahren. Laut Statista beträgt das Durchschnittsalter von Erst-Führungskräften in Deutschland 34,2 Jahre. Die Kriterien? Formalitäten. Gute Selbstpräsentation, keine Reibung, gewisse Betriebszugehörigkeit. Laut Harvard Business Review geben 58% der Führungskräfte an, vor ihrer ersten Leitungsfunktion keine Führungsfortbildung erhalten zu haben. Führung wird übernommen, nicht vorbereitet. Und genau so wird sie auch ausgeführt.
Der Preis ist bekannt: Organisationen mit einer hohen Dichte an „verwaltender Führung“ zeigen niedrigere Innovationsraten, geringere Anpassungsgeschwindigkeit und eine höhere interne Reibung. McKinsey spricht in diesem Zusammenhang von „institutionalisierter Mittelmäßigkeit“. Entscheidungen werden nach oben delegiert, Verantwortung nach unten gedrückt. Die Führungskraft als Filter – nicht als Impuls.
Effektive Führung entsteht nicht durch Besetzung, sondern durch Entscheidung. Die Alternative zur Besetzungslogik ist eine Positionsarchitektur, in der Führungsverantwortung an klare Ergebnisse gekoppelt ist – nicht an Dienstalter oder Loyalität. Rollen müssen inhaltlich beschrieben, nicht personell zugeschrieben werden. Die Konsequenz: Weniger Titel, mehr Wirkung. Weniger Nähe, mehr Fähigkeit. Und eine Führung, die gestaltet, statt zu folgen.